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leben wir jetzt in einem
Zeitgeist spätrömischer

Dekadenz ?
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Lothar Penz

Ratio und Eros im dialektischen Wechselspiel des
jeweils herrschenden Zeitgeistes in der Geschichte

? leben wir jetzt in einem Zeitgeist spätrömischer Dekadenz wie es
Herr Westerwelle behauptet? ?

Lavinia Wilson ist eine außergewöhnliche Schauspielerin. In dem TV-Film „Ein Dorf sieht Mord“ konnte man wieder ihre besondere Ausstrahlung wahrnehmen, die über das heute gewohnte Maß hinausgeht. Man wird einfach neugierig und fragt sich, woran das liegen kann. Eine Nachforschung im Internet ergibt nun vermutlich die Antwort: Sie studiert mit humanistischen Bildungshintergrund Philosophie. Die antiken Griechen haben es ihr angetan. In einem Interview vergleicht sie ihr Interesse an der inhaltlichen Aussagekraft eines Sokrates mit der des aktuellen Harald Schmidt. Man wird hiervon einfach provoziert selbst danach zu fragen, warum im Urteil Lavinia Wilson im antiken Sokrates auch heute noch eine größere Aussagekraft zum Ausdruck gelangt als bei Harald Schmidt?!

Vergleich: Sokrates mit Harald Schmidt

Ihre differenzierte Beurteilung der intellektuellen Provokationen eines Sokrates im Vergleich zum zeitgenössischen Harald Schmidt war der Anlass darüber nachzudenken. Denn beide nehmen ja nicht nur die Sophisten des jeweiligen Zeitgeistes mehr oder wenig auf die Schippe. Wobei Sokrates als Aufklärer der Antike sicherlich auch wegen seiner lästernden Bemerkungen – zulasten des mythischen Lebensverständnisses der antiken Griechen – oft unangenehm dem Establishment aufgefallen war. Doch mit seinen methodischen Fragen im Sinne seiner Lehrerin Diotima hat er uns Einsichten hinterlassen, die Harald Schmidt nicht thematisieren kann, wenn er nicht ebenfalls unangenehm gegenüber dem heutigen Establishment auffallen will. Denn allein eine Sitzung von der Länge und Intensität des Symposions würde den vorgegebenen Rahmen unseres Mediensystems sprengen. So kann sich Harald Schmidt in diesem Rahmen höchstens wie ein lästernder Sokrates gegenüber den Sophisten unserer Zeit mediengerecht nähern, ohne im Sinne der Diotima ihr Scheinwissen hinterfragen zu können. Doch in der jetzt offensichtlich auch bei uns zu Ende gehenden Epoche einer technokratischen Moderne brauchen wir erst recht einen aktuellen Sokrates der harte Fragen ohne Rücksicht auf verordnete Diskursgrenzen wieder stellt. Denn es wird immer offensichtlicher, dass im evolutionären Fluss Heraklits auch unsere Moderne an den Flussufern rechts wie links gesellschaftlich gestrandet ist. Unser kultureller Stillstand ist offensichtlich geworden. Die Frage lautet daher, wie kriegen wir unser Lebensschiff mit einem neuen Denken und gemeinsamer Besatzung wieder in die bewegende Mitte des evolutionären Flusses, und welche Kraft brauchen wir heute, um diese Aufgabe zu bewältigen? Es geht also konkret um die Überwindung jener schon nach Sokrates einsetzenden platonischen Kursbestimmung im Fluss der Evolution. Immer wieder strebt seitdem eine vom Eros entfremdete Rationalität danach, transzendent die Vernunft der irdischen Natur durch ein idealistisches Lebenskonzept materialistisch zu unterwerfen. Und immer wieder mussten wir mit derartigen ideologischen Kursbestimmungen stranden! Philosophisch hatte nun anfangs Karl Marx eine Befreiung von diesem erosfeindlichen Gegensatz gefordert, um das negative Verhältnis zwischen Idealismus und Materialismus in ein positives zu ändern. Ein Naturalismus sollte die lebensfeindliche Negativität einer idealistischen Rationalität gegenüber der irdischen Vernunft endlich überwinden und eine Versöhnung mit der Natur herbeiführen!! Doch die Negativität der gesellschaftlichen Situation in seiner Lebenszeit machte diesem richtigen Ansatz ein Ende. Er fand hierfür im entstehenden Industriezeitalter kein Gehör. Im entbrannten sozialen Klassenkampf war längst der Erosgedanke in sein Gegenteil umgeschlagen und provozierte in gleicher Weise das Umfeld der Ideologien des Zwanzigsten Jahrhundert!

Vergleich: Ratio und Eros

Dieser Fragestellung ging man schon in Platons Symposium nach, wo es beim Trinkgelage im Kreis der diskutierenden Freunde um das inhaltliche Wesen der bewegenden Kraft des Eros ging. Auf den von Aristophanes erläuterten Begriff der Liebe als Sehnsucht nach dem Ureinen folgte bei Sokrates jene affirmative „Hebammen“ Dialektik, welche vom Erosgedanken der Diotima angetrieben wird. Denn die Diotima lehrte Sokrates im Denken stets sich des Eros einer „Hebamme“ bewusst zu sein, die ja ein lebendiges Ganzes zur Welt bringen muss. Die Liebe wird hier zur Antriebskraft einer Denkkultur lebensweltlicher Symbiose, die notwendige Gegensätze von trennenden Widersprüchen befreit, um sie in den mittigen und höheren Zustand einer bejahenden Synthese des ganzheitlichen und damit lebendigen Zusammenhangs zu versetzen. Das ist geschichtlich eine uns immer wieder heimsuchende Aufgabe der eigentlichen Vernunft, wenn wir durch pure rationale Abstraktion uns von der Eroskraft unserer Kultur verabschiedet haben! So ist die Weisheit der Diotima für uns heute ganz besonders aktuell geworden, was durch die sophistisch gelähmte Lebenskultur der gegenwärtigen Moderne mit ihrem rein gesellschaftlichen Uferdasein uns bewusst geworden ist. Denn vom antiken Protagoras bis zum modernen Habermass entfernt uns heute wieder einmal die sophistische These „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ von unsere Lebenswelt, welche zwangsläufig zur unfruchtbaren Eigenliebe des Individuums führen muss! Denn das sich in diesem Sinne „selbst“ verwirklichende Individuum hat mit einem derartigen Bewusstsein die Vernunft des Eros als Kraft des Zusammenhanges seiner kulturellen Lebenswelt verlassen. Als Einzelnes verfügt es auch in der Masse nicht mehr über jene zentripetale Kraft, welche die in allen Lebensbereichen nun zentrifugal auseinanderdriftende Moderne in der bewegenden Mitte des evolutionären Flusses als Ganzes zusammenhalten kann. Selbst das Hydra-Gleichnis des Professor Kirchhoff weckt heute in unserer pluralistischen Gesellschaft keinen Herakles mehr, der die immer mehr antisystemisch auseinander driftende „Zivil-Gesellschaft“ wieder auf einen gemeinschaftlichen Hauptnenner bringen kann. Besonders im epochalen Ablauf der Geschichte lässt sich nachweisen, wie im jeweiligen rationalen Zeitgeist dem Eros oft unterschiedliche Funktionen diktiert wurden und werden. Der symbiotische Gedanke der Diotima verschwindet immer wieder im jeweiligen Zeitgeist und kehrt sich nicht selten in sein Gegenteil um! Die moderne Gesellschaft ist nun heute ebenfalls dem ideologischen Zeitgeist der pluralistischen Vereinzelung unterworfen, die längst wie die besagte Hydra unregierbar und damit unbezahlbar geworden ist. Bei Harald Schmid vermutet man nur hinter seinen ironisierenden Sprüchen jene diotimasche Alternative einer gelebten zusammenführenden Lebenskultur, wenn er die typische Überheblichkeit der rationalistischen Sophisten als Gesundbeter einer widersprüchlichen und daher stagnierenden Gesellschaft unserer Zeit aufs Korn nimmt.

Vergleich: Sokrates und  Platon

Nun aber hat uns eine Art Sokratesanwalt stellvertretend die konstruktive Dialektik im Sinne der Diotima wieder bewusst gemacht. Udo di Fabios „Kultur der Freiheit“ richtet sich gegen die herrschende sophistisch-parteiliche Spaltung des Denkens, wenn er die Wiederbelebung des Geistes einer ursprünglich vom Eros beseelten Gesellschaft auch im Denken und Urteilen fordert. Denn nur allein mit dieser Seelenkraft kann ein immer noch gesellschaftlich gespaltenes Volk auf einer neuen übergesellschaftlichen Bewusstseinsebene wieder identisch geeint zu sich selbst finden und die reale Welt als Ganzes in sich entdecken, akzeptieren und gestalten. Der historische Sokrates ist daher nicht nur in dieser Hinsicht für uns heute aktueller wie lange nicht mehr. Denn in seiner von der Diotima übernommenen Dialektik galt es ja damals wie heute auch die sophistische Spaltung von Mensch und Natur in eine affirmative Dialektik ebenfalls einzubeziehen, um das vorsokratische Naturerbe Griechenlands jenseits mythischer Vorstellungen im neuen Denken wieder eine Heimat zu geben.


Sokrates – Philosoph und Soldat

Doch Platon als Schüler des Sokrates abstrahiert mit seiner Wesensschau die realen Dinge zu transzendenten Ideen. Die Liebe wird zur platonischen Denkfigur. Sie wird damit von ihrer bewegenden Dialektik widersprechende Antriebselemente des Lebens aufzuheben, letztlich befreit. Die Göttergestalten im mythischen Bewusstsein der Griechen, die schon seit Heraklit mit dem fließenden Sein als Ganzes bislang im Einklang sich befanden, strandeten jetzt im abstrakten Bewusstsein transzendenter Vorstellungen ebenso an den Ufern des geschichtlichen Flusses, wie der platonisch „aufgeklärte“ Mensch der Antike als auch der unserer Moderne. Denn inzwischen war – wie heute bei uns – in der Antike eine Stadtkultur allgegenwärtig geworden. Heraklits geschichtlicher Fluss des Seins verschwand zunehmend aus dem Blickfeld des städtischen Griechen. Platon erfand für diese neue Bewusstseinslage seine Platonische Höhle, in der nur noch durch einen Spalt das Licht wirklichen Geschehens an der Höhlenwand sich schattenhaft projizierte. Die reale Wirklichkeit blieb ausgesperrt. Die Sophisten konnten nun das Wort in dieser von lebensweltlichen Zusammenhängen befreiten Umwelt ergreifen. Ein öffentlicher Diskurs sophistischer Lähmung kommt zum Tragen, wie er auch heute in der modernen Zivilisation wieder allgegenwärtig ist!

Vergleich: Die  gescheiterten Aufhebungsversuche in der Moderne

Diesen sich auch in der Moderne wiederholenden Kulturbruch nimmt Friederich Nietzsche zum Anlass, die affirmative Dialektik der göttlichen Gestalten eines vom Zeus im Olymp dirigierten Ganzen zu thematisieren. Denn die im antiken Griechenland einst in mythischen Göttergestalten sich widerspiegelnde Lebenswelt der vorsokratischen Griechen macht er an jene göttlichen Antipoden des antiken Götterhimmels fest, die im anbrechenden Industriezeitalter mit der Musik Richard Wagners ihre kulturelle Wiedergeburt erleben sollten. Mit Dionysos als Gestalt ungebändigter Natur gegenüber der reinen und schönen Gestalt des Apolls als ästhetischer Bändiger natürlichen Leben wird Sokrates in Nietzsches „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“, beschworen, die diotimasche Aufhebung der Einheit von ursprünglicher Natur und Mensch nicht zu verraten. Doch zwischen Apollon und Dionysos kam im Zwanzigsten Jahrhundert die aufhebende Dialektik der Diotima nicht mehr zustande. Wieder war dieses Jahrhundert ähnlich dem hellenistischen von neoplatonischen Diadochenreichen beherrscht, welche mit ideologischen Prinzipien den Erosgedanken hasserfüllt umkehrten. So wurde jenes Menschenbild des naturphilosophischen Griechenlands, dessen Erbe eine Symbiose von Mensch und Natur sogar Friedrich Engels in seinem „Antidühring“ als Endziel marxistischer Revolution forderte, zur Illusion. Denn man fragt sich heute, warum aber haben denn beide den dialektischen Widerspruch zwischen dem Idealismus und dem Materialismus – im Sinne der Diotima – nicht zum Naturalismus aufgehoben, wie es einst Karl Marx in seiner hegelschen Kritik forderte? Sein materialistischer Irrweg war jedenfalls nur eine reine negative Umkehrung des bürgerlichen Idealismus, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Denn der von Marx ebenso platonisch idealisierte Materialismus konnte auf diese Weise die irdische „mater“ nicht in ihre Lebensspendende Rolle zurückversetzen. Die Dialektik im griechischen Schöpfungsmythos zwischen der irdischen Mutter – Gäa – und dem himmlischen Vater – Uranos – war auch im neoplatonischen Denken so nicht mehr denkbar. Platons idealistische Denkkultur gipfelte dann in der Platonischen Staatsidee, deren autoritäre Struktur später mit den „Philosophen“ an der Spitze sich vor allem in den menschenfeindlichen jakobineschen Ideologien Europas widerspiegelte.

Vergleich: Die Hellenistische Epoche als griechische Kulturdeponie

Das identische Griechenland der Stadtstaaten endete im Reich des kosmopolitischen Hellenismus Alexander des Großen. Nach seinem Ableben traten seine Diadochen die Nachfolge an. Das Reich zerfiel in einzelne Diadochenreiche deren Einheitsstiftender Überbau verloren gegangen war. Der so genannte Hellenismus war eine Zeit der Wirren und Orientierungslosigkeit. Verschiedene vorhellenistische Philosophien traten in Erscheinung, die bis in die folgende Römerzeit als kynische- und epikureistische Schule besonders bei Eliten Anklang fanden. Gleichzeitig schuf im Hellenismus der Neo-Platonismus mit seiner transzendenten Ideenwelt auch jenes Menschenbild, das losgelöst von seiner Lebenskultur als einzelnes Wesen nun im Ideenhimmel verankert werden konnte. Als metaphysisches Ebenbild eines jenseitigen Gottes ging damit dieser Kulturbruch von Mensch und Natur in die morgen- wie abendländische Weltspaltung der entstehenden Erlösungs-Religionen ein, an deren Anfang der Religionsstifter Abraham – oder auch Ibrahim genannt – stand. Die Kraft des realen irdischen Eros war nun platonisch dem jenseitigen Erlöser übereignet worden. Er war jetzt mit Idee der Liebe identisch, die im irdischen Dasein über die spätere kirchliche Autorität zur Schicksalsmacht des konkreten Einzelnen wurde. Im Zusammenhalt der Gestalten irdischen Daseins war damit die irdische Kraft der Diotima zur transzendenten Liebesidee geworden.

Vergleich: Hellenismus und Rom

Jedoch lange vor dem Hellenismus entstand auf der Apennin Halbinsel ein Stadtstaat nach griechischem Vorbild. Es waren die indogermanischen Volksgruppen der Italiker und Etrusker, welche der Sage nach das von Romulus und Remus gegründete Rom zur geschichtlichen Größe in den folgenden Jahrhunderten führten. Auch der griechische Religionsmythos fand mit Jupiter als neuen Zeus im Götterhimmel der Römer sein Ebenbild. Schon zur Zeit der Republik eroberte Rom die Diadochenreiche des Hellenismus und gliederte sie in sein Imperium ein. Als die Republik durch eine dekadente Entwicklung ihrer Oberschicht ins Wanken geriet, waren es die Gracchen, die als Volkstribunen den Staat strukturell wieder auf die Füße stellten. In den letzten Jahrhunderten des Kaiserreiches wuchs in Rom durch Zunahme unterprivilegierter Klassen und durch Zuwanderung die zunächst subversive Religionsgemeinschaft der Christen zum politischen Faktor heran. Es war die Zeit des römischen Kaiser Konstantins, der die Trennung des römischen Reiches in West- und Ostrom überwinden wollte. Im Glaubensstreit der unterschiedlich sich im orientalischen und europäischen Einflussbereich inzwischen entwickelten christlichen Glaubensbekenntnisse sah er ein Hindernis die Reichseinheit wieder herzustellen. Denn im von germanischen Volksstämmen beherrschten Einflussbereich Westroms war Christus als irdische Gestalt ein Held mit göttlichem Eros. Im orientalischen Einflussbereich bis hin zu koptischen Kirche Ägyptens sah man dagegen Christus als Sohn Gottes an, der in der himmlischen Trinität Vater, Sohn und heiliger Geist den Eros himmelwärts mitgenommen hat. So wurde das von Konstantin einberufene Konzil zu Nicäa zur Arena einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Wortführern der Bekenntnisse des Arius und des Athanasius im Kreis der eingeladenen Kirchenführer. Da Konstantin als weströmischer Herrscher die Zustimmung der orientalischen Partei für die Reichseinheit brauchte, entschied er sich einseitig für die alleinige Gültigkeit des athanasiusschen Glaubensbekenntnisses im römischen Reich. Das hatte nicht nur für den späteren Übergang ins Heilige Römische Reich Deutscher Nation mit seinem Kreuzzugwahn selbst zerstörerische Konsequenzen, welche auch immer wieder die Selbstverwirklichung Europas belastete.

Vergleich: Mittelalterliche Scholastik und aristotelische Aufklärung

Im Mittealter traf das auf transzendente und spekulative Denkweisen ausgerichtete Glaubensbekenntnis der Weltspaltung eines platonisch-idealen Jenseits gegenüber einem von der Erbsünde beherrschten Diesseits selbst bei gebildeten Kirchenlehrern auf Widerspruch. Vor allem der Dominikaner Albertus Magnus als Lehrer Thomas von Aquin griff als damaliger Naturforscher auf die Sicht- und Denkweisen des Aristoteles zurück. Es sollte das Licht der Lebenswirklichkeit in die dunkle „Platonische Höhle“ des Mittelalters mit ihrer an der Wand projizierten dogmatischen Scholastik gelangen können. Thomas von Aquin entwickelte aus diesem Ansatz eine Ontologie in der die dogmatische Weltspaltung unter Bedingungen zum Sein des Ganzen aufgehoben werden konnte. Das Verhältnis des konkret Seienden zum Sein bestimmte die Spannweite mit der das Einzelne teilhat am Ganzen. Nur Gott verkörpert die Einheit von Seienden und Sein bedingungslos als das Sein, welches zugleich das universelle Ganze ist. Also hat hier der Anfang im Denken einer neuen und doch alten Beziehung des Menschen – im Sinne der Diotima – zum irdischen Sein begonnen?! Die schizophrene Weltsicht des mittelalterlichen Menschen sollte im Bewusstsein als ein irdisch Seiendes zum göttlichen Ganzen – zumindest in der Kirchenlehre – endlich beendet werden. Hier erst wurde damit die platonische Weltspaltung durch den Geist des Aristoteles als abstraktes Unheil spekulativen Denkens von den großen Kirchenlehrern des ausgehenden Mittelalters zumindest in Frage gestellt, ohne dass sie das Glaubensbekenntnis der orientalischen Trinität reformierten. So war es vermutlich kein Wunder, das Oberitalien als Stammland der Langobarden zum zentralen Schauplatz jener europäischen Renaissance wurde, die das Mittelalter beendete.

Vergleich: Humanismus und Renaissance

Der „Schwarze Tod“ als Pandemie trug im ausgehenden Mittelalter nicht unwesentlich dazu bei, dass sich das Bewusstsein mehr und mehr aus Not von den Erwartungen einer Erlösung aus dem Jenseits befreite, um das irdische Diesseits als Quelle des Lebens zu entdecken. Werte und Vorstellungen besonders der naturphilosophischen Epoche des antiken Griechenlands bis hin zur Kunst beherrschten zunehmend das öffentliche Leben. Der Geist der Diotima war zur Erde zurückgekehrt. Im Mittelpunkt stand jetzt nicht mehr die vereinzelte Beziehung zum jenseitigen Gott, sondern die Doppelnatur eines in individueller Freiheit und gemeinschaftlicher Bindung denkenden und handelnden Menschen. Dieser Humanismus prägte diese Epoche, welche als „Wiedergeburt“ der griechischen aber auch der römischen Antike verstanden wurde. Selbst die Strukturen der Stadtstaaten kehrten zurück und bildeten nicht nur in Oberitalien die Grundlage für Herrschaftsgeschlechter, deren Einfluss bis in den Vatikan reichte. Selbst Papst Sixtus IV errichtete die sixtinische Kapelle im Vatikan nach antikem Vorbild. Doch auch radikale Gegenbewegungen der alten Scholastik suchten diese Befreiung des Menschen im Übergang zur Neuzeit aufzuhalten. Niccolo Machiavelli schildert uns in seinem Hauptwerk das Wirken des dominikanischen Bußpredigers Girolamo Savonarola als dogmatischer Gegenrevolutionär in Florenz, das mit seiner Hinrichtung endete. Doch als Ergebnis dieser Epoche einer dialektisch erneuerten „Hebammen-Methode“ stand die Frage: „Was ist der Mensch“! Hier gab vor allem Bernhard von Kues – auch Cusanus genannt – im Zuge seines erfahrenen Denkprozesses eine entscheidende Antwort. Vermutlich angestoßen durch die ontologischen Aussagen des Thomas von Aquin, der mit seinem universellen Seinsverständnis Gott als Seiendes mit dem Sein als Ganzes identisch erklärte, war nun Cusanus aufgefallen, dass der dialektische Denkprozess im koinzidenten Wechsel von Negation und Affirmation auf jeder Stufe über die Vernunft den Verstand anhält, um vom Einzelnen zum Ganzen zu gelangen. Bezogen auf Gott kann er nur in diesem Sinne als das universelle Ganze gedacht werden, das sich vor allem in den lebendigen Ganzheiten irdischen Seins in gleicher Weise widerspiegelt. Schöpfer und Schöpfung waren im Denken wieder identisch. Somit versuchte dieses Denken den Erosgedanken in die Sphäre der irdischen Lebenswelt zurück zu holen. Dieser Geist wurde seinerzeit vor allem danach in Giordano Bruno lebendig geworden, der als naturphilosophischer Ganzheitsdenker der Denkweise des Cusanus gefolgt war. Ebenso hing er der Vorstellung des Kopernikus an, der das geozentrische Weltbild durch seine universelle Weltenerkenntnis wissenschaftlich für beendet erklärte. In dieser Logik lag es schon damals nahe, auch das anthropozentrische Gottesbild als menschliche Anmaßung zu überwinden, das nun als göttliches Wesen, „was alles bewegt und zusammenhält“ in allen irdischen Ganzheiten zum Leben erwachen sollte! Europa stand damit am Wendepunkt einer Kulturidentischen Reformation, welche die „Heilige Inquisition“ in den Alarmzustand versetzte. Giordano Bruno wurde darauf im vatikanischen Rom sieben Jahre eingekerkert, um dann auf dem Scheiterhaufen zu enden. Seine Weigerung das orientalische Glaubensbekenntnis von Nicäa mit seiner „Gottessohn“ Behauptung anzuerkennen, war für die „Heilige Inquisition“ der Grund, dieses Urteil zu fällen! Wieder wurde dem Geist der Diotima eine schwerwiegende Absage erteilt, welche der anstehenden Reformation des Glaubens den wesentlichen Gedanken raubte!

Vergleich: Aufklärung und Revolution

Der Geist des Nikolaus von Kues als auch der des Giordano Bruno beeinflusste im Übergang zur Neuzeit die Denkweisen eines Baruch de Spinoza in der anbrechenden Epoche, die man Aufklärung nannte. Für diesen war das Sein ein unteilbares Ganzes, das beseelt von den Attributen des Geistes, der Natur und Gottes uns in der wahrnehmenden Erfahrung als Einheit bewusst wird. Dieser Gedanke war auch in den beiden Physikern und Mathematikern Newton und Leibniz lebendig geblieben, deren Weltbild physikalisch gedeutet ein zusammenhängendes Ganzes blieb. Im Denken Leibniz war der Begriff von Raum und Zeit in der Monade als sich entwickelnder Baustein der Welteinheit ein systemisches Element seiner von der Mathematik getragenen Philosophie. Newton wie Leibniz schufen beide unabhängig von einander die Infinitesimal Rechnung. In Newtons Philosophie sticht besonders die strikte Ablehnung des athanasischen Glaubensbekenntnisses der Trinität ins Auge, das nach seiner Auffassung das Christentum verdorben hat. Doch die so genannte Aufklärung wurde bald von einem Rationalismus des Jesuitenschülers Rene Descartes beherrscht, der die Vernunft der Körperwelt mit seinem „cogito ergo sum“ – ich denke also bin ich – ausschloss. Das Dogma der gespaltenen Welt des spirituellen Christentums wurde nun rationalistisch wieder hergestellt! Denn sein Denken projizierte ein Sein, das die Körperwelt „als res extensa“ in seinem rationalistischen Seinsbegriff keinen Platz einräumte. Die Vernunft wurde damit zum Instrument des Verstandes. Als weibliche Position in der Dialektik der Diotima verlor sie ihre gebärende Kraft, um die Gegenposition des männlichen Verstandes zum Erzeuger eines lebensfähigen Ganzen anzuhalten. Sie konnte nicht mehr ein lebendiges Ganzes gebären! Die Körperwelt wurde jetzt sogar mathematisch erklärt, um sie als mechanistisches Gebilde beherrschbar zu machen. Für La Mettrie war der Mensch jetzt eine Maschine. In dieser Logik wurde die res extensa – als natürliche Körperwelt einschließlich der menschlichen – zum Opfer eines Paradigma technokratischer Machtausübung über die natürliche Lebenssphäre. Jetzt hatte auf rationalistische Art die schizophrene Weltspaltung das Bewusstsein des Menschen wieder voll im Griff. Einerseits war er nun als Geistwesen frei, um andererseits als Naturwesen in die Unterwerfung rationalistischer Spekulationen technokratischer Ideologien zu geraten. Nicht mehr das Ganze, sondern das zum Prinzip inthronisierte Teil eines Ganzen beherrschte die Logik eines Willen zur Macht, dass von der Negation eines feindlichen Gegenteils seine Existenzberechtigung ableitete. In der französischen Revolution kommt mit den Jakobinern diese rationalistische Kehrseite des Eros zur radikalen Entfaltung. Der absolutistisch – im Sinne der Aufklärung – sich verstehende Adel war im Bunde mit dem Klerus als abgehobene dekadente Oberschicht auf diese Weise von den Jakobinern zum dialektischen Feindbild städtischer Massen erklärt worden. Mit dem ideologischen Prinzip einer Gleichheit der Menschen wurde diesen nun ein Weg zur Freiheit und Brüderlichkeit versprochen!! Es war ein städtisches Prinzip, das die bäuerliche Landbevölkerung Frankreichs ablehnte. Dieses totalitäre Prinzip führte zur bekannten Schreckensherrschaft der Jakobiner in Paris, wo unter der Guillotine nicht nur die Repräsentanten absolutistischer Macht endeten. Es war zugleich das Signal für einen Aufstand des bäuerlichen Landes, der sich gegen die jakobinesche Herrschaft der Stadt richtete. Dieser Aufstand ging als Vendee in die Geschichte ein. Im Verlauf von drei Jahren konnte dieser von den republikanischen Garden niedergeschlagen werden. Seitdem ist das so genannte Menschenrecht ohne Menschenpflichten als Erbe der französischen Revolution mehrdeutigen Interpretationen unterworfen. Wieder gilt hier die These „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ wobei dieser „Mensch“ als Einzelner im Sinne der Gleichheit jetzt auch das „Maß“ gegen das Naturrecht des Menschen allgemein festlegen konnte! So konnte die ideologische Gleichschaltung immer wieder die Freiheit und Brüderlichkeit mit einer Zwangherrschaft – der Gleichen die gleicher als gleich sind – beerdigen!! Die Frage lautet daher, war denn keiner in der Lage diesen Konstruktionsfehler eines cogito ergo sum des cartesianischen Denkens nachhaltig zu überwinden? Selbst Immanuel Kant – der Aristoteles der Moderne – war in Königsberg mit seiner den cartesianischen Rationalismus „zermalmenden“ Denkordnung zunächst nicht in der Lage, diesen nachhaltig aufzuhalten! Die Perversitäten der Cartesianischen Moderne nahmen ihren Lauf. Orwells „Farm der Tiere“ beherrschte variantenreich das moderne Europa!

Vergleich: Moderne und Weltkriege

Der Freiheitsgedanke der französischen Revolution führte über die konstitutiven Monarchien zu einer Demokratisierung der Völker Europas, welche sich trotzt ihrer kulturellen Identität und Einheit aber nicht mehr als Schicksalsgemeinschaft verstanden hatten. Schon vor dem ersten Weltkrieg zeigte sich deshalb diese Phase global konkurrierender Staaten wie eine Wiedergeburt des hellenistischen Zeitalters der Wirren und Orientierungslosigkeit abgewirtschafteter Eliten. Sie musste letztlich in den Ersten Weltkrieg einmünden. In diesem zeigte sich das Gesicht eines neuen Roms in Gestalt der Vereinigten Staaten von Amerika als entstehende Weltmacht. Alexis de Tocqueville schilderte sie uns als eine Gestalt der spezifisch amerikanischen Aufklärung, die ihre Herkunft aus dem Geist der französischen Revolution hinsichtlich ihres individualistischen Gleichheitsprinzips nicht verleugnen konnte und kann. Das Deutsche Reich war der Verlierer des Ersten Weltkrieges. Im so genannten Friedensdiktat der Westalliierten von Versailles wurde unter Mitwirkung des US-Präsidenten Wilson daher eine größere – besonders finanzpolitische – Gleichschaltung der geschwächten Staaten Europas wirksam. Deutschland war aufgrund der vom Versailler Vertrag geforderten Reparationsleistungen praktisch bankrott. Die Einflussnahme der USA in dieser Nachkriegszeit fand mit der vom spekulativen Finanzgebaren der Wallstreet verursachten Weltwirtschaftskrise 1929 ihr erstes katastrophales Ende. In Europa erlangten darauf wegen der entstandenen Massennot jakobinesche Ideologien in den demokratisierten Nationalstaaten der alten dynastischen Ordnung die totalitäre Macht. Von Feindbildern mit einem „Anti“ beseelt pervertierte jetzt der Erosgedanke zum bewegenden Hass der cartesianischen Ideologien. Die affirmative Hebammen-Dialektik der Diotima versank in den Sumpf einer Negativen Dialektik, die jetzt unfähig war, dem Denken ein lebendiges Ganzes zu schenken! Die betroffenen Völker mussten nun als levée en masse den symbiotischen Gedanken der Verwurzelung ihrer Nation zugunsten eines ideologischen Gleichschaltungsprinzips marschierend aufgeben. Sie wurden kriegsbereite Volksheere ihrer jeweiligen Ideologie! Die Parole hieß jetzt: „Das Ganze ist das Unwahre!“ Dieses Nein zum Ganzen der Weltordnung führte letztlich zum Zweiten Weltkrieg, der von allen Kriegsparteien wie ein jakobinescher Vernichtungskrieg geführt wurde. Er wurde damit zur Wiederholung der Französischen Revolution im Weltmaßstab! Das Deutsche Reich verlor auch diesen Krieg, der von allen Seiten gewollt aber von deutscher Seite ausgelöst wurde! Der Fluch eines „Verlierers in Permanenz“ hat den Deutschen danach psychoanalytisch im Protektorat der Siegermächte den Eros Ihres Zusammenhaltes geraubt.

Vergleich: Verfassungsauftrag und Nachkriegsordnung

Das besiegte Deutsche Reich zerfiel danach in Besatzungszonen der Westalliierten und der Sowjetunion. In den westlichen Besatzungszonen konstituierte sich bald – aus den von West- Alliierten zugelassenen demokratischen Parteien – die Repräsentanten eines Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, um eine demokratische Verfassung für die westlichen Besatzungszonen zu erarbeiten. Die Zielsetzung der Verfassungsväter war auf deutscher Seite vom Gedanken beseelt, die Konstruktionsfehler der alten Weimarer Verfassung nicht erneut zu wiederholen. Es sollten jene Parteien ausgeschlossen werden, die mit einer Ideologie der Volksspaltung in rechte und linke sich gegenseitig ausschließendeExtrempositionen den Zusammenhalt des demokratischen Staates gefährden. Im Mittelpunkt der Zielsetzung stand deshalb ein Verfassungsorgan als integrierendes Gegengewicht zum Parlament gesellschaftlicher Interessenvertretung! Es sollte den nationalen Zusammenhalt des Staatsvolkes als republikanisches Ganzes mit den Parteien die Willensbekundung des souveränen Staatsvolkes als „volonte generale“ durchsetzen können. Hierfür setzte sich im Verfassungskonvent ganz besonders Professor Carlo Schmid von den Sozialdemokraten ein. Denn die Parteien des Staates von Weimar waren angesichts der Massennot in der ersten Weltwirtschaftskrise des liberalen Kapitalismus allein nicht in der Lage, die so genannte Gemeinsamkeit der Demokraten zu einer nationalen Willensbekundung zu erheben, um die Jakobiner von rechts und links abzuwehren! Daran ist letztlich Weimar gescheitert! Diese verfassungsrechtliche Grundforderung leitete der Konvent aus den naturrechtlichen Vorstellungen der Doppelnatur des Menschen als Einzel- und Gemeinschaftswesen ab. Sie sollten daher die Identität des Verfassungsentwurfs mit der deutschen Lebenswelt als Einheit von Menschen- und Völkerrecht allgemeingültig festschreiben. Die Bindekräfte des Eros der Deutschen Nation waren damit gefordert, um sie jetzt – wegen der erlittenen Niederlage – für den Zusammenhalt einer demokratischen Nation des Neuaufbaus zu bewahren. Doch aufgrund der Intervention der westlichen Besatzungsmächte kam diese weiterführende Verfassung, die naturrechtlich das Ganze der Deutschen Nation umfassen sollte, nicht zum tragen. Denn die westlichen Siegermächte repräsentierten ja auch eine cartesianische Denkordnung , in der die besiegten Deutschen in gleicher Weise einerseits nach ihrem Prinzip der Gleichschaltung zwar vom Faschismus befreit wurden aber um andererseits eine demokratische Umerziehung nach dem pluralistischen Gesellschaftsbild der westlichen Siegerstaaten verordnet zu bekommen. Die Deutschen landeten wieder dort, wo mit der Republik von Weimar ihre Katastrophe begann.

Vergleich: Pluralistische Gesellschaft und Unvollendete Republik

Das damit unvollendet gebliebene Grundgesetz spiegelt seitdem mit ihrer kopflosen Bundesrepublik diesen lähmenden Unterwerfungs-Zustand eines in der Logik der Besatzungsmächte zwangsläufig nun entstehenden reinen Sozialstaates ohne nationalen Gemeinsinn besonders wider! Denn die im kulturellen Milieu einer modernen „Gesellschafts-Höhle“ sich danach immer mehr entwickelnde Anspruchsgesellschaft des Sozialstaates wurde von entsprechenden Medien beherrscht, welche die pluralistische Gesellschaftsstruktur in ihrer programmatischen Ausrichtung ständig förderten. Diese egomanisch auseinander driftende Gesellschaftsstruktur führte dann zu maßlosen Tarifrunden, fragwürdigen Sozialleistungen, und kriminellen Steuerbetrügereien sowie korrupten Vorteilnahmen und letztlich auch ganz besonders zu den Krisen verursachenden Bankenspekulationen einer liberalen Staatsverneinung, welche die fehlende Integrationskraft und Führungslosigkeit des Soziastaates mit ihrem eigengesetzlichen Denken bis zu seiner Existenzkrise wie ein Sisyphosprojekt vorantrieben. Das pluralistisch auseinander driftende Antisystem – siehe Kirchhoffs Vergleich der „Hydra“ – entlarvte sich inzwischen als eine „Unbezahlbare Moderne“! Denn die Parteien werden in diesem Antisystem gezwungen, mit einer unvorstellbaren Verschuldung die pluralistischen Massen auf Kosten ihrer Lebenswelt ständig ruhig zu stellen! Schon Ludwig Ehrhard als Anwalt der Sozialen Marktwirtschaft erkannte am Ende seiner Kanzlerschaft, dass diese nur auf der Grundlage einer „Formierten Gesellschaft“ sich auf die Dauer durchsetzen kann, wenn der Gedanke des nationalen Gemeinsinns „Gesetz“ geworden ist!! Das heißt Konkret. die von den westlichen Besatzungsmächten bestimmte Nachkriegsordnung hat mit der pluralistischen Massengesellschaft den Eros des nationalen Zusammenhaltes und der Verantwortung für das Systemganze des Staatsvolkes und seiner kulturellen Identität in der immer noch bestehenden Nachkriegsepoche negativ ausgeschlossen!! Hiermit kommen wir wieder auf den Sokratesanwalt Udo di Fabio zurück, der in seinem Buch „Die Kultur der Freiheit“ uns die Verdrängung des Eros als Kraft des solidarischen Zusammenhaltes unserer deutschen Lebenswelt bewusst machen wollte. Wir sollten endlich den eigentlichen Sinn unseres unvollendet geblieben Grundgesetzes begreifen, das vom Eros nicht nur der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten sondern vor allem von der Einheit und Integrationsfähigkeit der Deutschen Nation vom Volk über die Familien bis hin zu Mann und Frau beseelt war! Es sollte auch der gesellschaftliche Überbau symbiotisch in diesem Sinne seinen solidarischen Zusammenhalt wahren können! Doch die ab 1968 sich durchsetzende Verfassungswirklichkeit des liberalen Pluralismus hat diesen Sinn des Grundgesetzes total infrage gestellt!! Der Untergangsfluch Adolf Hitlers über die in seinem Krieg gescheiterten Deutschen nahm konkrete Formen an! Und das geschah, obwohl am Anfang der sechziger Jahre der Westdeutschland besuchende französische Staatspräsident General de Gaulle an die Deutsche Jugend appellierte sich für ein „Europa der Vaterländer“ einzusetzen. Hiermit sollte aufgrund seiner im Kriege gewonnenen Erfahrungen das westliche Gleichschaltungs-Denken in Europa überwunden werden. Die Völker Europas sollten sich vaterländisch ihrer Wurzeln der eigenen Kultur bewusst bleiben und sich dem Gedanken einer Union der Nationen öffnen. Europa sollte vom „Atlantik bis zum Ural“ das Bild einer neuen Weltordnung in diesem Sinne vorleben können!

Vergleich: Das Ganze als Wahres oder Unwahres

Jedoch genau in das Gegenteil entwickelte sich danach tendenziell das öffentliche Bewusstsein in Westdeutschland durch den Einfluss „Der Frankfurter Schule für Sozialforschung“, die von den Emigranten Horkheimer und Adorno repräsentiert wurde. Hier wurde die gegen den Erosgedanken der Lebenswelt gerichtete Parole „Das Ganze ist das Unwahre“ ausgegeben!!Der dialektische Prozess des Denkens sollte nun seine affirmative Zielsetzung – ein weiterführendes Ganzes zu gebären – mit dem Diktat der „Negativen Dialektik“ Adornos ausschließen. Damit wurde das Denken der so genannten „Kritischen Theorie“ zum Selbstzweck. Seitdem erkennt die deutsche Öffentlichkeit mehrheitlich „den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr“!! Das Denken wurde zu einem negativen Denken verdammt, welches nur das Denken denkt ohne gemeingültige Ergebnisse für ein normatives Handeln zu erreichen. Denn Adorno als spiritus rector dieser Denkschule analysierte mit seiner kritischen Methode das massengesellschaftliche Antisystem der Moderne mit seiner Kulturindustrie aus einem isolierten Elfenbeinturm individualistischer Selbstentfremdung, dass die konkrete Sphäre der „eigentlichen“ Lebenswelt des Menschen in seinem Bewusstsein nicht mehr widerspiegelte! Deren namhafte Vertreter versuchte er dann in seinem Beitrag „Jargon der Eigentlichkeit“ sprachphilosophisch ins Reich des Absurden abzustellen. Denn Goethe, Hegel, Schelling und auch Heidegger waren ja Denker der Unvollendeten Renaissance,für die das anzustrebende Ganze eine zwingende Aufgabe eines humanistischen Europas seit Baruch de Spinoza bedeutete!! Die „eigentliche“ Deutsche Ideologie wurde von diesem Paradigma beherrscht und war prädestiniert gewesen, dem jakobineschen Spuk der NS-Zeit ein gründliches Ende zu bereiten!! Doch hier trat bei Adorno der gleiche Kardinalfehler in Erscheinung, den er in seiner „Dialektik der Aufklärung“ als rationale List der Aufklärung brandmarkte. Denn dieser liegt in der Anmaßung, die Lehren für die Zukunft mit einer negativen Vorverurteilung der gesamten geschichtlichen Vergangenheit zu ziehen. Dort wo die Geschichte dann auch noch im Extremfall auf Null gestellt werden kann, dort endete dann der Weg in die Zukunft endgültig! So stellt der namhafte Schüler der „Kritischen Theorie“ Jürgen Habermas in seinem Hauptwerk „Theorie des Kommunikativen Handelns“.


„Jürgen Habermas: Philosoph und Weltbürger“

Anfang der achtziger Jahre entsprechend fest, dass mit Ende des Zweiten Weltkrieges alle metaphysischen Systeme sowie alle Bewusstseinsphilosophien angesichts des Sieges der Westalliierten über das Deutsche Reich gescheitert seien. Das System der „Angewandten Aufklärung“ in den USA – wie es der andere Schüler dieser Schule Ralf Dahrendorf derzeit in seinem gleichnamigen Buch proklamierte – galt nun als Leitbild einer Umerziehung der Deutschen zu einer pluralistischen Konfliktgesellschaft der Nachkriegsordnung!
Es wurde zum Umerziehungs - Programm gegen die so genannte „Deutsche Ideologie“, das sich über die negative Methode des so genannten „Herrschaftsfreien Diskurses“ einer Aufhebung der Deutschen Vergangenheit mit kollektiven Schuldzuweisungen und Denkverboten entzog. Medien gestützt entwickelte sich nun wie im Mittealter ein deutsches Flagellantentum!

Vergleich: Cartesianische Stagnation oder Demokratische Reformation

Als nun der namhafte Kyniker Peter Sloterdijk sich in einem Vortrag von der eigentlichen Vernunft in der Beurteilung des Schicksals der natürlichen Verfassung des Menschen in der gegenwärtigen Massengesellschaft leiten ließ, hatte er das Tabu cartesianischen Denkens gebrochen. Auf den Protest ihrer dogmatischen Vertreter antwortete er mit der Feststellung, dass die „Kritische Theorie tot sei!“ Ab diesem Zeitpunkt hat die List der Geschichte im Verlauf der Nachkriegszeit dafür gesorgt, dass die seit Versailles uns zweimal fast erschlagende Wachstum - Ideologie des liberal - kapitalistischen Sisyphos - Projektes uns zu einer grundlegenden Erkenntnis geführt hat: Sie lautet: man kann den Gesellschaftlichen Wahn der Gleichheit aller Menschen nicht mit einem alternativ umgekehrten Wahn aus der gleichen cartesianischen Wurzel eines Vernunft okkupierenden Rationalismus zu einer neuen Ordnung erklären!!! Wenn dann noch die industrielle Grundvoraussetzung des umgekehrten NS-Systems strukturell für die Installation einer liberalen Nachkriegsordnung in Deutschland vom „Liberalen“ Ralf Dahrendorf lobende Anerkennung findet, wird damit ganz besonders deutlich, dass dieser ideologische Liberalismus amerikanischer Herkunft uns als permanente Konfliktgesellschaft beherrschen soll!! Wir leben deshalb heute im Fluss der Evolution auch auf einer Gestrandeten Moderne nach USVorbild, die deshalb mit ihrem ideologischen Liberalismus, und dessen gesellschaftlicher Funktionalismus nur mit einer Medienmacht beherrscht werden kann! Wie eine technokratische „Hydra“ sucht dieses sich ständig gegenseitig negierende Antisystem die gesellschaftlichen Funktionsteile bis hin zur eigengesetzlichen Bankenmacht im materialistischen Wahn zu einem Projekt nach Art des mythischen Sisyphos gleichzuschalten! Diese Unterwerfung zeigt sich aber auch analog ganz besonders im kopflosen Integrations- unfähigen - Parteiensystem unserer pluralistischen Gesellschaft, der uns immer noch beherrschenden Nachkriegsordnung. Als Peer Steinbrück gemeinsam mit Angela Merkel am kapitalistischen Nullpunkt dieser Nachkriegsordnung erklärten: „das nichts mehr so sein wird wie es mal war“, erwachte die Hoffnung, das wenigstens die Führungskörper der beiden koalierenden Volksparteien ihre Stunde erkannt haben! Denn nur gemeinsam kann eine grundlegende Reform der unvollendet gebliebenen Republik gelingen, um auch das gestrandete Schiff der Bundesrepublik als Ganzes wieder seetüchtig in die Mitte des geschichtlichen Flusses zu bekommen. Doch die Mitglieder und Fraktionen beider Parteien haben inzwischen das passive Uferdasein rein gesellschaftlichen Daseins rechts wie links offensichtlic so verinnerlicht, das zunächst alles beim Alten bleibt. Es gehört damit zur Tragik der Deutschen Demokratie, dass der weiterführende Eros - Gedanke einer das System des Ganzen unseres Volkes repräsentierenden Republik immer noch am Nein der westlichen Besatzungsmächte scheitert!! So ist der technokratische Wahn ständigen Wachstums einer am Kurs dieses Materialismus Gestrandeten Moderne kein Motor mehr, der die vom Gleichgewichtsgedanken ihrer Lebenssysteme entfremdete Gesellschaft retten kann. Die technokratisch beherrschte res extensa beginnt sich nun mit Natur- und Wirtschafts-Katastrophen gegenüber ihrer übervölkerten Welt-Unordnung zu emanzipieren!! Sie wird jetzt dazu noch durch die Sprüche jener dem ideologischen Liberalismus immer noch verhafteten Sophisten provoziert, wenn sie glauben mit der Methode „haltet den Dieb“ sich ein Katastrophen Alibi beschaffen zu können. Denn die liberal - kapitalistische Krise ihrer Gestrandeten Moderne mit dem irreführenden Begriff „Spätrömische Dekadenz“ zu bezeichnen, ist ein Schuss, der für Herrn Westerwelle nach hinten losgegangen ist. Denn die rationalistische Aufklärung muss von einer systemischen Abklärung lebensweltlicher Zusammenhänge aufgehoben werden! Konkret heißt das, wir müssen die in uns immer noch in Ketten gefangene Liebe zu unserem Volk und Vaterland befreien und auf Europa übertragen, um jene Kraft der Freiheit mit den Nationen Europas gemeinsam zurückzugewinnen, mit der wir auch das gestrandete Schiff Europas wieder inden Heraklitischen Strom der Evolutionären Entwicklung einer Gemeinsamen Zukunft hinein ziehen können!

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